Kleine Namenkunde für historische Romane

 

Godehard oder Matthes – zur Namensfindung meiner Figuren

files/AstridFritz/Bilder Extras/Namenkundex.jpgDie meisten Leserinnen und Leser werden mir zustimmen, dass der Namen zum Charakter einer Romanfigur passen sollte. Er darf allerdings auch nicht aus dem historischen Rahmen fallen. Ein Klaus (1944 der häufigste männliche Vorname) wäre im spätmittelalterlichen Freiburg eher ungewöhnlich, nicht aber der Nikolaus, Niklas oder auch kurz Clewi. Auch ein Georg Friedrich würde seltsam anmuten – Doppelnamen kamen erst um 1800 auf.
Um nicht in historische Fettnäpfchen zu treten, habe ich mich zum einen intensiv mit Namenkunde befasst (sehr gut: dtv-Atlas Namenkunde. Vor- und Familiennamen im deutschen Sprachgebiet. München, 1998), zum anderen führe ich eine Datei, in der ich Vor- und Familiennamen aus zeitgenössischen Quellen aufnehme.


Ohne Nachname ins hohe Mittelalter

Bis zur Gründungswelle der Städte im 12. und 13. Jahrhundert lebte der vorwiegende Teil der Menschen in kleinen Dorfgemeinschaften – den Nachnamen brauchte es da nicht zur Unterscheidung. Als erstes begann der Adel sich nach dem Stammsitz zu benennen, das „von“ entstand (etwa Otto von Habsburg oder Eberhard von Wirtemberg). Schließlich gaben sich auch die Bürger in den bevölkerten Städten einen Zunamen (in den Stadtstaaten Italiens schon früher), zunächst nach ihrer Herkunft (Gottfried von Straßburg), dann nach Berufen (wie Kannengießer, Weißbeck, Wagner) oder auch körperlichen Attributen (Roth, Dürr, Schiller – für den, der schielt). Die geschah zumeist über den Umweg z.B. „Jakob, genannt der Wunderlich“.
Seit jeher waren auch Spitznamen üblich, die dann ab dem 14. Jahrhundert über Generationen nachwirkten. Warum aber wehrten sich Kindeskinder nicht gegen „Rindsmaul“ oder „Gierhals?“: Ganz einfach: Weil mit dem Vaternamen Erbansprüche verbunden waren.
Familiennamen in ländlichen Gebieten tauchen am Oberrhein bereits seit dem 14. Jahrhundert auf, im dünn besiedelten Norden sind sie hingegen noch lange Zeit nicht notwendig. Übrigens wird das „von und zu“ erst im 17. Jahrhundert zum Vorrecht Adliger.


Plötzlich heißen alle Margaretha oder Johannes

files/AstridFritz/Bilder Extras/Namenfindenx.JPGMit ein Grund für die Schaffung des Nachnamens war auch die Häufung einiger weniger Namen: Im späten Mittelalter hießen die meisten Frauen Margareta, Katharina oder Elisabeth, die Männer Johannes, Nikolaus oder Jakob – mit ihren jeweiligen Kurzformen natürlich. Noch bis Anfang des 12. Jahrhunderts hingegen waren die Namen hauptsächlich germanischen Ursprungs gewesen, wie Giseltraud, Burghilde und Freya oder auch Arbogast, Eginhard und Folkward – die Zweigliedrigkeit erlaubte unzählige Kombinationen. Dann erfolgte, im Nachklapp der Christianisierung, der Siegeszug von Fremdnamen, vor allem von Heiligen und jenen aus dem Neuen Testament. Von den germanischen blieben nur einige wenige populär, wie Hermann, Heinrich, Gerhard, Konrad, Adelheid, Mechthild oder Gertrud. Und wie heute gab es auch im Spätmittelalter schon auffallend gehäuft Modenamen, siehe oben.
Für mich als Autorin war diese Namensknappheit im Spätmittelalter ein Herausforderung, mussten sich doch meine Hauptfiguren eindeutig unterschieden. Aber zu meinem Glück wurden die Fremdnamen je nach Dialekt eingedeutscht und damit origineller: Aus Andreas wurde Andres, Endres oder Enderlin, aus Jakob Jäckli, aus Markus Marx, aus Heinrich und Konrad Hinz und Kunz. Und „Exotisches“ wie Serafina, Barnabas oder Apollonia ist mir bei meinen Recherchen tatsächlich auch untergekommen.

Catharina Stadellmenin – Nachnamen bei Frauen

Eheliche Töchter erhielten den Nachnamen des Vaters mit der Nachsilbe „in“, den sie Zeit ihres Lebens behielten, auch nach der Heirat (uneheliche Kinder trugen den Nachnamen der Mutter). Im Alltag wurden verheiratete Frauen zwar häufig mit dem Nachnamen ihrer Männer bedacht, dann aber ohne Vorname. Meine (historische) Protagonistin in „Die Hexe von Freiburg“ wurde also entweder „Catharina Stadellmenin“ genannt (als Tochter des Stadellmen) oder „die Bantzerin“ (als Ehefrau von Michael Bantzer). Dass Frauen bei der Heirat den Nachnamen des Mannes als ihren eigenen annahmen, entwickelte sich erst in der späteren Neuzeit, die Nachsilbe -in hat sich bis heute in ländlichen Gegenden erhalten.

Neue Namen in der Neuzeit

Nach Reformation und Gegenreformation löste man sich von kirchlichen Traditionen - Moden kamen und gingen, vor allem im Bürgertum. Strenggläubige Reformierte brachten im 17. Jahrhundert Neuschöpfungen hervor (Traugott, Christlieb, Fürchtegott, Leberecht), die Humanisten machten Julius und August populär. Aus Frankreich stammten Emil, Eduard oder Lisette, über die Habsburger Herrscher kamen italienische Namen nach Deutschland, mit der Shakespeare-Begeisterung im 18. JH sogar englische wie Edgar, Edmund oder Fanny.
Da einige meiner Romane nach 1800 spielten, habe ich mich auch hier schlau gemacht. Vor allem bei den Männern wurden Doppelnamen beliebt, noch ohne Bindestrich, wie Friedrich Philipp, Georg Friedrich oder Johann Peter. Und Frauen hießen plötzlich nach Männernamen Albertine, Augustine, Hermine, Wilhelmine, Alwine, Friederike, Klementine, Josephine oder Pauline. Vor allem bei der Landbevölkerung finden sich aber auch gehäuft christliche Namen wieder (Maria, Eva, Catharina, Johannes oder Adam), mit wachsendem Nationalbewusstsein dann „urdeutsche“ Namen wie Helmut und Reinhold, Wolfgang und Hildegard.

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