Hintergrundinformationen - "Der Pestengel von Freiburg"


Dichtung und Wahrheit


files/AstridFritz/bilder ab Vagabundin/Synagoge-192x.jpgClara und ihre Familie sind erfundene Figuren. Ebenso die Mitglieder der Familie Grünbaum, die ich nach ihrem gleichfalls fiktiven „Haus zum Grünen Baum“ benannt habe (ein Haus dieses Namens gab es in der historischen Altstadt nicht). Was jedoch die historischen Ereignisse, speziell Pestwelle und Judenpogrome betrifft, folge ich der Historie der Städte Straßburg, Freiburg und Basel. Allerdings steht eine fundierte Untersuchung der Pest von 1349 in Freiburg bislang noch aus, und so habe ich mich in vielem an den Chroniken der Nachbarstädte Basel und Straßburg orientieren.

Vielerorts wurden den Juden Beweismittel untergeschoben, um sie der Brunnenvergiftung zu überführen – der von mir beschriebene Komplott seitens des fiktiven Stadtarztes Behaimer hat so in Freiburg sicher nicht stattgefunden. Vielleicht aber ja auf andere oder ähnliche Weise…

Historisch sind alle erwähnten Stadtobrigkeiten sowie die Grafen von Freiburg. Auch hinsichtlich des Münsters halte ich mich an die überlieferte Baugeschichte, wobei ich in einem Punkt dichterische Freiheit habe walten lassen: Und zwar bei der Figur der „Synagoge“ (siehe Bild), die noch heute im Münsterportal zu sehen ist und die das Judentum symbolisiert. Bei mir ist es Benedikt, der ihr menschliche Züge gibt, während sie anderswo in den Gotteshäusern oft als Hure oder mit Höllenbocksattributen präsentiert wird!


Freiburg im 14. Jahrhundert

Freiburg mit seinen gut 9000 Bewohnern hatte sich zur bedeutendsten rechtsrheinischen Stadt zwischen Basel und Frankfurt entwickelt. Die Arbeit der Gold- und Silberschmiede, der Tuchmacher und Kürschner war berühmt, zwei große Messen im Jahr machten Freiburg zur Handelsstadt. Die Silberadern und Eisenerzgruben in den nahen Bergen hatten enorme Gewinne abgeworfen, an denen auch viele Patrizier beteiligt waren. Als die Herrschaft von den Zähringern an die Grafen von Urach überging, machte das für die Untertanen zunächst keinen Unterschied aus. Gerecht und wohlwollend herrschten Egino und sein Sohn Cunrat, die sich fortan Grafen von Freiburg nannten, förderten den Kirchenneubau und erkannten den Bürgern vielerlei Rechte zu.

Doch mit Cunrats verschwenderischen Nachkommen kam das Unheil über die Stadt. In Protz und Prunk lebten sie, was man brauchte, holte man sich als Steuer von den Bürgern oder verpfändete Güter an reiche Patrizier und Edelfreie. Kriegerische Fehden wurden angezettelt, die die Bürger durch Begleichen hoher Sühnegelder ausbaden mussten. Und immer wieder drohte die Verpfändung der Stadt. Da begannen sich die Bürger, inzwischen stolz und selbstbewusst, zu wehren, sogar mit Waffengewalt, und ihr Verhältnis zu den Stadtherren wurde immer angespannter.

Zum hausgemachten wirtschaftlichen Niedergang kamen noch Missstände andrer Art. Die „Kleine Eiszeit“ mit bitterkalten Wintern, verregneten Sommern, mit Stürmen und Überschwemmungen, ja sogar apokalyptischen Heuschreckenplagen bescherte Missernten und Hungersnöte, was den mittelalterlichen Menschen ans Weltende denken ließ. Erst recht, als sich von Südeuropa her die tödliche Seuche näherte.


Die Große Pest am Oberrhein

files/AstridFritz/bilder ab Vagabundin/Beulenpest-1431x.jpgWie ein göttliches Strafgericht kam die erste große Pestwelle über die Menschen: Sie entvölkerte in relativ kurzer Zeit ganze Städte und Gegenden, um dann ebenso plötzlich wieder zu verschwinden. Als Vorboten sah man Naturkatastrophen und Himmelserscheinungen an, manch einer glaubte auch die „Pestjungfrau“ oder den „Pestengel“ gesehen zu haben - geisterhafte Erscheinungen, die tödliche Pfeile verschleuderten.

Über die traditionellen Handelswege erfasste die Pest zwischen 1347 und 1352 fast ganz Europa. Mindestens ein Drittel der europäischen Bevölkerung, nach neuesten Forschungen sogar die Hälfte, fiel ihr zum Opfer. In Bern starben täglich 60 Menschen, in Köln und Mainz 100. Florenz, eine der größten Städte überhaupt, verlor über die Hälfte seiner Bewohner (eindrucksvoll beschrieben in der Einleitung von Boccaccios „Decamerone“!). Interessanterweise blieb das Königreich Polen verschont – gewiss kein Zufall, dass sich gerade in Krakau die allerorts vertriebenen Juden ansiedeln durften.

Den Oberrhein erreichte die Seuche von Süden her im Mai 1349 und verbreitete sich von dort weiter nach Norden. Was die Ausmaße dort betrifft, sind die Angaben zeitgenössischer Chronisten allerdings mit Vorsicht zu nehmen. So seien in Basel 14.000 und in Straßburg 16.000 Menschen gestorben – dies entspräche mehr als der jeweiligen Einwohnerzahl. Tatsächlich entstand wohl in den Städten eine geisterhafte Leere, weil viele Menschen geflohen waren. So nimmt man heute für den Oberrhein eine Todesrate von etwa 20% an.

Die sogenannte Große Pest des 14. JHs bedeutete für Europa sicherlich die verheerendste Heimsuchung. Doch folgten noch etliche lokale Epidemien – für Freiburg sind zwischen 1349 und 1634 insgesamt 37 Pestjahre belegt. Allein im 16. JH wurde die Stadt mindestens zwölfmal heimgesucht, wobei das Jahr 1564 wahrhaftig ein „Großes Freiburger Sterben“ bedeutete: Rund 2000 Menschen, ein Viertel der Bevölkerung, kamen um!

Aus jenen Jahren datiert auch die erste Erwähnung eines Freiburger Pesthauses: In 1554 ist zunächst von einer Stiftung die Rede, wenig später von einem Pestilenzhaus als Abteilung des Armenspitals. Eigene Pestordnungen sind für Freiburg erst ab 1564 überliefert.


Der Kampf gegen die Seuche

files/AstridFritz/bilder ab Vagabundin/RegimenSanitatis1480.jpgZunächst war man vollkommen hilflos gegenüber dem „Großen Sterben“, wie der mittelalterliche Mensch die Pest nannte (vom „Schwarzen Tod“ sprach man erst im 16. JH). Alles, was man an Heilmitteln kannte, ob Aderlass, Räucherwerk oder Kräuterarznei, ob Zaubersprüche oder magische Zeichen, blieb wirkungslos. Ebenso wenig vermochte die gelehrte „Miasmen-Theorie“ von Pestwinden, die über die Lande zogen, Leben zu retten. Und Bußprozessionen oder Massengottesdienste, die Gottes Zorn besänftigen sollten, bewirkten sogar das Gegenteil – aus gutem Grund, wie wir heute wissen. Nur einige Laienärzte ahnten, dass Unreinlichkeit und eine irgendwie geartete Ansteckung eine Rolle spielten, doch die Übertragung des Bazillus durch Rattenflöhe wurde erst kurz vor 1900 entdeckt. Letztendlich lag die einzige Überlebenschance damals in der Flucht – vorausgesetzt, man konnte sich das leisten.

Vernünftige Maßregeln im heutigen Sinne kamen erst bei späteren Pestwellen zum Tragen: Einlassverbote und Meldepflicht, Vertreiben von auswärtigen Bettlern und Vagabunden, Vorschriften zur Müll- und Kadaverbeseitigung, Versammlungsverbote, Isolierung der Kranken in Pesthäusern. Um die Wende zum 15. JH wurde es in italienischen Seestädten üblich, pestverdächtige Schiffe mit ihren Mannschaften und Waren für 40 Tage auf einer Hafeninsel zu isolieren - daher der Name „Quarantäne", von italienisch „quaranta giorni" (vierzig Tage). Hinzu kam das Schließen von Schenken und Hospizen, Bordellen und Bädern. Erst jetzt trugen die Ärzte übrigens die von zahlreichen Abbildungen bekannten Schnabelmasken und Schutzumhänge, was zumindest einen gewissen Schutz vor Ansteckung darstellte.

Das massenhafte Sterben trieb die Gesellschaft in einen psychischen und physischen Ausnahmezustand. Der Werte- und Sittenverfall (der Klerus war hiervon nicht ausgenommen!) äußerte sich in Ausschweifungen und ungehemmter Lebensfreude, in Hartherzigkeit und Brutalität. Mitleid und Menschlichkeit schwanden, soziale Bindungen verfielen, Kranke und Sterbende wurden alleingelassen. Nicht zuletzt war der Glaube an die Kirche, durch die zahlreichen Peststiftungen zunächst immens reich geworden, erschüttert.


Brunnenvergiftung - die Juden als Sündenböcke

Unter diesen Vorzeichen kippte die Stimmung gegenüber der Minderheit der Juden und man beschuldigte sie, im Rahmen einer „jüdischen Weltverschwörung“, der Brunnenvergiftung. Zumal man beobachtet zu haben glaubte, dass die Juden weniger krankheitsanfällig waren als die Christen (woran an Quäntchen Wahrheit sein mochte, denn Hygiene und Medizin hatten bei den Juden einen sehr viel höheren Stellenwert, und auch die Speisevorschriften gewährleisteten eine gesündere Lebensweise).

Die Saat für diesen Irrglauben hatte die Kirche gelegt. Judenfeindlichkeit war Bestandteil des Christentum seit Zerstörung des Tempels in Jerusalem. In Augen der Kirche war das ursprünglich auserwählte Volk durch seine Leugnung von Christus als Messias, durch seine Schuld als „Christusmörder“ zum verworfenen Volk geworden. Die Zerstreutheit in alle Welt sei ein lebender Beweis für den fatalen Irrtum ihrer Religion.

Auch wenn sich Papst Clemens VI. 1348 in seiner Bulle ausdrücklich gegen die Brunnenvergiftungsvorwürfe wandte, war das Volk aufgrund des uralten kirchlichen Judenhasses dieser Mär längst aufgesessen. Dennoch muss man sich heute fragen: Reicht die Pest als Erklärung für diese grauenvolle, massenhafte Ermordung der Juden tatsächlich aus? Zumal die Judenpogrome in der Regel Monate vor Ausbrechen der örtlichen Epidemien stattfanden…

In meinem Nachwort zum Pestengel von Freiburg habe ich versucht, diese Problematik zu vertiefen, und möchte daher an dieser Stelle die Details nicht wiederholen. Nur so viel: Diffuse, von der Kirche geschürte Weltuntergangsängste, Sozialneid und Konkurrenzkampf fachten die tödliche Glut der mit Abstand größte Judenverfolgung vor dem Holocaust an – und am lautesten schrien jene nach Blut und Scheiterhaufen, die bei Juden verschuldet waren oder die in ihnen eine lästige Konkurrenz sahen.

Am Ende dieses Pogroms waren in Deutschland fast alle 350 jüdischen Gemeinden ausgerottet, die Überlebenden vertrieben, ihre wirtschaftliche Existenz zerstört. Keine 200 Jahre später wird das Feindbild der Juden abgelöst durch einen anderen Wahn, eine neue Verschwörungstheorie: die vornehmlich Frauen betreffende Hexenverfolgung!


Juden im Mittelalter

files/AstridFritz/bilder ab Vagabundin/Haggadah_14th_cent-192.jpgIm 10./11. JH wanderten aus Italien und Südfrankreich jüdische Kaufleute ein und gründeten entlang des Rheins ihre Gemeinden, die im 11. und 12. JH ihre Blütezeit erlebten. Das Verhältnis der Juden zum Umfeld war anfangs entspannt, einzelne Juden oder ganze Gemeinden besaßen Schutzbriefe des Königs.

Anlässlich der „christlichen“ Kreuzzüge aber kam es zu den ersten Ausschreitungen an Juden: Auf dem Weg nach Jerusalem wurden zahlreiche jüdische Gemeinden angegriffen und Menschen ermordet. Vor allem in Franken und im Elsass kam es zu regelrechten Pogromen.

Auch sonst wurde ihr Alltag restriktiver: Papst Innozenz III. verordnete ihnen 1215, sich mit Judenhut und gelben Ringen auf der Kleidung zu kennzeichnen, wobei übrigens der spitze Hut, der gestutzte Vollbart und der Schleier der Frauen zur angestammten jüdischen Tracht gehörten. Für Oberdeutschland galt der Kleiderzwang allerdings erst 1380 durch den Konstanzer Bischof. Was schlimmer war: Sie hatten kein Bürgerrecht, durften kein Land bebauen und wegen des christlichen Charakters der Zünfte kein Handwerk ausüben. Selbst der Handel war ihnen in weiten Bereichen verboten. So betrieben die Juden seit dem 12. JH zunehmend das Kreditgeschäft, als Folge des Zinsnahmeverbots für Christen. Ihre Hauptkunden waren die städtische Oberschicht und die jeweiligen Landesherren.


Der sogenannte Judenschutz – ein einträgliches Geschäft

Der König bzw. Kaiser sah die Juden als seine „Kammerknechte“, die ihm in Person und Eigentum gehörten und denen er Schutz gegen hohe Abgaben (Judensteuer) garantierte. Auch konnte er Freunde und kaisertreue Städte belohnen, indem er ihnen ihre Schulden bei Juden erließ!

Bald verkam dieser persönliche Schutz, das sogenannte Judenregal, zum frei verfügbaren Handelsobjekt, das gegen eine Ablösesumme als Pfand weiterverliehen wurde. So gelangten auch die Grafen von Freiburg zu diesem Regal, das gute Einnahmen brachte und im Notfall weiterverpfändet werden konnte. Zugleich mussten die Juden dem König weiterhin eine Anerkennungssteuer zahlen. Aus der einstigen Reichsjudensteuer wurde eine Kopfsteuer, die durch die einzelnen Landesherren beliebig erhöht werden konnte.

Die Juden zahlten also dreifach: Schutzgelder an den Landesherrn, Anerkennungssteuer an den König sowie an ihre jeweilige Stadt neben den üblichen Steuern noch spezielle Abgaben, die nur ihnen zur Last fielen.


Jüdisches Leben in Freiburg und am Oberrhein

files/AstridFritz/bilder ab Vagabundin/Jude-CodexManesse-Suesskind.jpgBis zur Großen Pest lebten die Juden am Oberrhein über zweihundert Jahre lang in friedlicher Nachbarschaft mit den Christen, unbehelligt in ihrem Glauben wie ihren Geschäften. In Freiburg waren es an die hundert Männer, Frauen und Kinder, die sich im Bereich der heutigen Weber- sowie Wasserstraße angesiedelt hatten, wo sich auch ihre Synagoge befand. Zumeist arbeiteten sie als Münzwechsler, Pfandleier und Geldhändler oder als Handwerker für den eigenen Bedarf. Auch ein Roggenhändler und ein Arzt sind bezeugt.

Im Gegensatz zu vielen anderen Gegenden hatte es in Freiburg bis zum großen Judenmorden von 1348/49 keine Übergriffe gegeben. Die Grafen von Freiburg gewährten den Juden, neben Schutz und Schirm, mit dem Freiheitsbrief von 1338 eine ganze Reihe von Rechten und Garantien, ja befreiten sie sogar von der gräflichen Judensteuer (sehr wahrscheinlich hatte die Grafenfamilie im Gegenzug ihre Schulden bei den Juden erlassen bekommen). Somit waren die jüdischen Bewohner gleichgestellt mit Hintersassen, also christlichen Einwohnern ohne Bürgerrechte. Immerhin durften sie Haus und Grund, ja sogar Weinberge für ihren koscheren Wein besitzen.

Folgende Gemeindemitglieder werden in Freiburger Quellen für die Zeit vor dem Pogrom erwähnt: Ein „Herr Mössin“ (Moses) als reichster Jude, dessen Tochter mit dem ebenso reichen Süßkint verheiratet war. Diese beiden Männer waren wohl die wichtigsten Geldgeber der Grafen sowie des Stadtadels. Weiterhin werden genannt Rachel, Salomons Frau; Abraham Fromolt; Meiger Spieß; Meiger Vischelin; Isaak von Breisach; Issak Mannes; Süßkint von Lauterburg.


Das Freiburger Judenmorden

Die Pogrome näherten sich im Vorfeld der Pest von Süden her: Französische und Schweizer Juden hatten unter Folter gestanden, Brunnen und Quellen mit den tödlichen Miasmen vergiftet zu haben. Diese Nachrichten verbreiteten sich wie ein Lauffeuer, und die Städte am Oberrhein berieten sich untereinander. Die Pest sei nur abzuwenden, indem man die Urheber außer Gefecht setze. Bereits im November 1348 wurden die Juden in Bern verbrannt (zeitgleich übrigens auch in Stuttgart), dann in Solothurn.

Ein Augenzeugenbericht aus Schaffhausen gibt Auskunft, wie man sich eine solche Folter vorzustellen hat. „Man habe drei Juden, Lämmlin, Matthis und Hirsch, so sehr gemartert, dass man sie auf dem Karren zum Feuer führen musste. Man habe ihnen die Waden aufgeschnitten und siedendes Pech hineingegossen, auch die Sohlen angebrannt, dass man das bloße Bein gesehen. Auch habe der Gemarterten Einer geredet: ‚Ich weiß nit, was ich bekannt han; denn bei der Marter hätt ich gesprochen, dass Gott nit Gott (sei).‘ Derselbe hat gesagt, er wisse um alle Sachen nichts und sei des Todes unschuldig. Auch habe man ihm Nägel in die Finger gestoßen und sie damit gemartert.“

Als die Judenverfolgung das nahe Basel erreichte, war auch in Freiburg der alte Schutz- und Freiheitsbrief nichts mehr wert. Am 1. Januar 1349 wurden die Freiburger Juden gefangen gesetzt und grausam gefoltert.

Als vermeintliche Rädelsführer der Brunnenvergiftung glaubte man Meiger-Nase, Jeckeli (Joseph) Joliep, Gotliep und Liepkint ausgemacht zu haben, deren Geständnisse man unter Folter erpresste. So gestand beispielsweise Meiger-Nase, „er habe ein spannenlanges Säcklein mit Gift in die Brunnenstube der Stadt gelegt, dazu einen großen Stein weggebrochen und solchen wieder eingesetzt; worauf er in gleicher Absicht nach Basel gefahren. Ebenso habe er mit vier Juden von Breisach verabredet, dass sie auch dort und wo sie sonst zukommen möchten, die Brunnen vergiften sollten. Nach seiner Aussage wussten alle Juden zu Straßburg, Basel, Freiburg und Breisach um diese Vergiftung.“

files/AstridFritz/bilder ab Vagabundin/Jude-Schedel-judenfeindlichkeit.jpgAm 30. Januar 1349 schließlich wurden fast alle jüdischen Mitbewohner vor den Mauern der Stadt verbrannt. Die jüdische Gemeinde Freiburg war vernichtet - wie schon zuvor die von etlichen anderen süddeutschen und eidgenössischen Städten. Hier wie überall war reiche Beute zu verteilen: Grundstücke und Häuser, große Mengen von Bargeld, Pfändern (meist Gold- und Silberschmuck, wertvolle Pelze und Kleider) und geldwerte Schuldbriefe. Gewöhnlich zog der Stadtrat diese Beute ein, traf darüber eine rechtliche Regelung mit dem Territorialherrn oder dem Kaiser, verteilte den Rest unter die Räte und Zünfte. Die Häuser wurden an einflussreiche Bürger zum Spottpreis abgegeben.


Ausblick

Rasch breiteten sich die Pogrome weiter ins Rheinland aus. Die ältesten und bedeutendsten jüdischen Gemeinden Speyer, Worms und Mainz wurden ebenso vernichtet wie die in Koblenz, Frankfurt, Köln, Trier, Erfurt, Magdeburg, Würzburg, Nürnberg und anderen großen Städten. In Königsberg fand noch im Februar 1351 ein Pogrom statt. Vielerorts, wie in Konstanz oder Basel, wurden sogar die getauften Juden später ermordet.

Die meisten dieser Städte erhielten vom Kaiser einen Amnestiebrief, der sie von jeglicher Schuld des "Judenschlagens" freisprach, manche sogar im Voraus, als Freibrief für die Ermordung der Juden. In Deutschland gab es für die Überlebenden nur wenige Zufluchtsorte, wie die Reichsstadt Regensburg, das Herrschaftsgebiet des Habsburger Herzogs Albrechts II. oder des Pfalzgrafen Ruprecht I. Die meisten süddeutschen Juden wanderten nach Norditalien oder nach Polen und Litauen aus, wo ihnen Religionsfreiheit zugesichert wurde. Dort entstand das Jiddisch als Mischsprache aus hebräischen, mittelhochdeutschen und slawischen Elementen.

Bereits ab 1360 lebten wieder Juden in Freiburg, allerdings unter entwürdigenden Vorschriften wie Kleiderzwang, Geleitzoll oder Ausgehverbot in der Karwoche, in der sogar Türen und Fenster geschlossen bleiben mussten. Doch nur 40 Jahre später beschloss der Stadtrat mit Billigung der neuen Habsburger Herrscher, daz dekein Jude ze Friburg niemmerme sin sol: Sie wurden ausgewiesen, ihre Synagoge als Zeughaus beschlagnahmt. Ortsfremde Juden mussten am Tor warten, bis ein Stadtknecht kam und sie bei ihren Erledigungen begleitete, den sie dafür auch noch stündlich bezahlen mussten.

Bis ins 19. JH. blieb den Juden die Niederlassung in Freiburg verwehrt. Erst 1864 gründete sich wieder eine Gemeinde von über hundert Juden, die mit dem Bau der 1870 errichtete Synagoge neben der Universität weiteren Aufschwung erhielt. Diese ging in der Pogromnacht 1938 in Flammen auf. Am 22. Oktober 1940 wurden die im Lande verbliebenen badischen Juden von den Nazis in das Lager Camp de Gurs (Südfrankreich) deportiert. Einer der Sammelplätze war der Annaplatz im Freiburger Stadtteil Wiehre. Nur eine Minderzahl der Deportierten überlebte - zum dritten Mal in der Geschichte der Stadt war die jüdische Gemeinde ausgelöscht worden.

Nach 1945 konstituierte sich die Israelitische Gemeinde Freiburg, die mittlerweile durch die Zuwanderung von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion auf rund 750 Mitglieder angewachsen ist. Sie errichtete von 1985 bis 1987 zwischen Münsterplatz und Stadtgarten eine neue Synagoge. Seit Juli 2004 ist durch die kleine Egalitäre Jüdische Chawurah Gescher eine weitere Gemeinde hinzugekommen, die sich der Union progressiver Juden angeschlossen hat.

Im Pflaster der Stadt erinnern „Stolpersteine“ an die Opfer der Judenverfolgung während der Naziherrschaft. Das Judenmorden im Mittelalter ist hingegen weitgehend in Vergessenheit geraten.

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