Hintergrundinformationen - "Die Hexe von Freiburg"


Der Prozess

files/AstridFritz/Bilder Hexe bis Kondor/HF-Hexenverfolgung1.JPGDie historische Catharina Stadellmenin wird am 24. März 1599 zusammen mit Margaretha Mößmerin (beide kannten sich persönlich) sowie mit Anna Wolffartin enthauptet und verbrannt. Wie im Roman hört damit die Prozesswelle auf, da diese drei Frauen auf die Frage nach ihren “Gespielinnen” sich gegenseitig bezichtigen sowie die Namen von bereits hingerichteten Frauen nennen. Barbara Müllerin (im Roman: Beate Müllerin) war eine enge Freundin der historischen Catharina, sie wird Jahre später ebenfalls als Hexe verhaftet und gefoltert, bleibt aber standhaft und kommt frei.



Das Delikt

Bezichtigt werden die drei von Margaretha Vischerin, die bereits am 13. Februar 1599 hingerichtet wurde. Aus dieser Zeit gibt es Aussagen von Nachbarn und Bekannten, die ich in abgewandelter Form für den Roman verwendet habe: etwa, man habe sie vielmals sehen aus- und eingehen, etliche Male zu acht oder neune in der Nacht. Habe ihn oft wunder genommen, was sie um diese Zeit allda zu tun, und bei sich gedacht, eine ehrliche Frau sollte bei ihrer Haushaltung sein und man hab sie auch sehen tanzen und springen (aus den Prozessakten, nach Roecken/Brauckmann). Ganz offensichtlich war die ungebundene Lebensweise dieser Frauen den ehrbaren Bürgern ein Dorn im Auge. Ebenso wie die Tatsache, dass Catharina, nachdem sie als Witwe ins “Haus zur guten Stund” (Schiffstraße 15) gezogen ist, Studenten und arme Schüler bei sich wohnen lässt – im Roman wird daraus der junge Student Anselm.


Catharinas Ehe

Historisch belegt sind auch viele Fakten aus Catharinas unglücklicher Ehe mit dem Schlossermeister Michael Bantzer (sie entstammen Zeugenaussagen und ihrem Geständnis):

- Bantzer ist als Zunftmeister der Schmiede viermal im Magistrat.
- Er ist oft betrunken und schlägt sie, so dass sie sich auf dem Dachboden verstecken muss.
- Er hat ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau.
- Während zwanzig Jahren ihrer Ehe hat er nicht mit Catharina geschlafen.
- Ihre Ehe bleibt kinderlos – im Roman hat Catharina eine Tochter von ihrem heimlichen Geliebten.

Die Bantzers waren gut bekannt mit Margaretha Mößmerin und deren Mann Jacob Baur (wohnhaft im “Haus zum Gold”, heute Kaiser-Joseph-Str. 209 beim Bertoldsbrunnen, dem früheren Fischmarkt). Und sie waren direkte Nachbarn. Nach meinen neuesten Forschungen allerdings über den Hinterhof, denn ein Wohnhaus des Schlossermeisters Michael Bantzer ist in Hermann Flamms „Geschichtliche Ortsbeschreibung der Stadt Freiburg“ in der Salzstraße zu finden! („Haus zum Greifenberg“, neben der heutigen Löwenapotheke).


Historisch belegte Figuren des Romans

Die heimliche Hebamme Ursula Seboltin, bei der Catharina wegen ihrer ungewollten Schwangerschaft Rat sucht, wurde 1575 tatsächlich in Freiburg an den Pranger gestellt und der Stadt verwiesen, ihr Eigentum öffentlich versteigert. Ihr Vergehen: Sie hatte ohne Bewilligung des Magistrats als Hebamme gearbeitet.

Historisch belegt sind darüber hinaus einige Personen des öffentlichen Lebens, die bei Catharinas Prozess eine wichtige Rolle spielten: so der Junker Hans Wendel von Bernhausen (Freiburgs damaliger Schultheiß), dessen Statthalter Johann Jacob Renner, der mit gerichtlichen Angelegenheiten betraut war und sich einen Namen als Hexenjäger machte (als Wohltäter und Stifter der Stadt Freiburg ist eine Straße nach ihm benannt!), sowie Frauenfelder als neuer Commissarius.

Dessen Vorgänger, Dr. Textor, hatte tatsächlich um Ersetzung wegen Befangenheit gebeten, da er Margarethe Mößmerin persönlich kannte. Auch war Textor von der Unschuld aller drei Frauen überzeugt und hatte sich für sie eingesetzt. In Lehen (Breisgauer Str. 52) befindet sich übrigens ein alter Herrenhof, über dessen Eingang eine steinerne Inschrift zu lesen ist mit dem Hinweis, das hier ab 1587 der vorderösterreichische Amtmann Dr. Textor gewohnt habe – mit ziemlicher Sicherheit handelt es sich hierbei um eben jenen Dr. Textor, der als Commissarius bei den Prozessen 1599 dabei war.

Weitere historische Personen sind der Freiburger Ordinarius Professor Friedrich Martini sowie der Querulant und Denunziant Fridlin Metzger. Hartmann Siferlin hingegen ist eine fiktive Figur – er steht stellvertretend für Denunziantentum und Fanatismus, für all jene Menschen, die nicht eher ruhen, bis sie ihre Gegner vernichtet haben.


Weitere historische Örtlichkeiten und Details

files/AstridFritz/Bilder Hexe bis Kondor/HF-Sickinger1589.jpgDas Martinstor, an dem eine Gedenkplakette zu finden ist, diente zwar als Gefängnis, der eigentliche Folterturm jedoch war der Christoffelsturm (nördliches Ende der Kaiser-Joseph-Straße, kurz vor dem Siegesdenkmal, 1704 als “Verkehrshindernis” abgerissen). Ein weiterer Folter- und Gefängnisturm war das Predigertor (Schnittpunkt Rotteckring mit Unterlinden, ebenfalls abgerissen). Als besondere Infamie wurden die Frauen tatsächlich scheinbar freigelassen, um wenig später wieder im Folterturm zu landen.

Die Ratsstube, wo sich der “ehrsame Rat” zum Schultheißengericht versammelte, befand sich in der unteren Stube der “Gerichtslaube” (im Hof hinter dem Freiburger Rathaus), wo schon Kaiser Maximilian 1498 seinen Reichstag abhielt. Die Urteilsverkündung war damals öffentlich und zwar – wie im Roman – vor dem Münsterportal. Nachdem der “Stab gebrochen war”, wurden die Verurteilten zur Enthauptung zum Schutzrain (zwischen Holzmarkt und Dreisam) geschleppt, danach zum Hochgericht/Galgen, wo die Scheiterhaufen standen. Dieses Hochgericht befand sich auf dem Radacker (heute: “Am Radacker”, nahe der Basler Landstraße).

Im Roman verwendet wurde der Wortlaut der Geständnisse, in verständliches Deutsch übertragen von Roecken/Brauckmann. Verwendet wurden auch zahlreiche Freiburger Vorschriften und Verordnungen jener Zeit.

Die dritte Delinquentin von 1599, Anna Wolffartin, wohnte übrigens im “Haus zum Bratspieß”, Fischerau 24. Die Eingangsszene mit der Hinrichtung von Anna Schweizerin, die 1546 als erste vermeintliche Hexe in Freiburg verbrannt wurde, ist ebenfalls historisch.

Catharinas Kindheit und Jugend hingegen sind frei erfunden, da hierüber nichts bekannt ist. Auf diese Weise habe ich versucht, ihr ein Gesicht und eine Biographie zu geben, um ihr Leben der Vergessenheit zu entreißen. Die Liebesgeschichte mit Christoph ist somit auch erfunden, ebenso wie die illegitime Tochter Marthe-Marie: Sie beide sollen dem tragischen Schicksal Catharinas einen kleinen Hoffnungsschimmer verleihen.


Hexenwahn – ein Phänomen der Neuzeit

files/AstridFritz/Bilder Hexe bis Kondor/HF-Aufsatz-Hexenverfolgung x.JPGNicht im sogenannten finsteren Mittelalter, sondern in der frühen Neuzeit, dem Zeitalter von Kopernikus und Galilei, von Shakespeare und Descartes, tobte der grauenvolle Hexenwahn in Europa und forderte nach Schätzungen von Historikern etwa 50.000 bis 80.000 Opfer. Allein in den Territorien des Deutschen Reichs wurden vom 15. bis ins 18. Jahrhundert mindestens 30.000 vermeintliche Hexen oder Hexenmeister hingerichtet, zumeist verbrannt. Zuletzt im Jahre 1782 die Dienstmagd Anna Göldin im schweizerischen Kanton Glarus.

 

 



Die Opfer


Je nach Territorium waren 80% bis 95% der Verfolgten Frauen. Die große Mehrzahl der Opfer stellten nicht etwa alte Kräuterweiblein oder weise heilkundige Frauen, sondern Frauen unterschiedlichsten Standes und Alters. Überraschend häufig entstammten sie angesehenen Kaufmanns- oder Handwerkerfamilien oder waren Witwen.

Die Jagd auf vermeintliche Hexen erfolgte in Wellen: Die ersten Opfer waren oft Frauen aus niedrigen Ständen, von böswilligen Nachbarn oder Verwandten denunziert. Durch deren Bezichtigungen und Geständnisse, in der Folter erzwungen, weitete sich der Kreis schnell aus, bis es schließlich jeden treffen konnte, auch Frauen aus der städtischen und ländlichen Oberschicht.


Die Täter

files/AstridFritz/Bilder Hexe bis Kondor/HF-Teufel.jpgGanz extrem wüteten die “Hexenjäger” in geistlichen Territorien wie Bamberg, Bayreuth, Würzburg und in kleinen Landstädten bzw. kleinen Territorien. So verbrannte man im Stift Bamberg und im Bistum Würzburg in wenigen Jahren 600 bzw. 900 Menschen. In der Fürstpropstei Ellwangen wurden ganze Familien ausgerottet. Doch im Gegensatz zu den Ketzerprozessen im Mittelalter tat sich im Kampf gegen die Schimäre Hexenverschwörung zunehmend die weltliche Obrigkeit hervor. Weniger häufig, aber ebenso grausam kam es zu Verfolgungen in protestantischen Territorien.

 



Der Wahn

Zwar waren die Vorstellungen dieses kollektiven Wahns mit seinen Elementen Teufelspakt und Teufelsbuhlschaft, Hexenflug und Hexensabbat von der Kirche vorgeprägt, so durch den berüchtigten “Hexenhammer” des Dominikanermönches Heinrich Cramer, genannt Institoris (1487 gedruckt), doch mit der Zeit war dieser Vorstellungskomplex im Denken der Menschen verwurzelt, und die weltliche Obrigkeit übernahm die Rolle des Verfolgers. Eine Jahrhunderte alte magische Weltsicht, die sich auf vielfältige Weise mit dem christlichen Glauben verbunden hatte und von allen Ständen geteilt wurde, war auf einmal dämonisiert.


Die Frage nach den Ursachen

Ihre Höhepunkte fanden die Verfolgungen nicht etwa in schlimmen Krisen- oder Kriegszeiten, sondern während der längsten Friedenszeit Mitteleuropas, abgesehen vielleicht von der ersten großen Welle um 1580, die sich als Folge von Unwetter und Missernten deuten ließe.

Eine völlig schlüssige Erklärung gibt es nicht, viele Momente haben zu diesem kollektiven Wahn beigetragen. Wichtige Aspekte sind: Deutschland stand abseits vom Welthandel, Städte verarmten, das Gewerbe verfiel. Es war eine Zeit der Glaubenszweifel und der schwindenden Werte, der Verunsicherung und Zerrissenheit infolge geistiger, sozialer und wirtschaftlicher Umbrüche und Spannungen. Nichts war mehr so wie seit Menschengedenken. Die wenigsten teilten den Glauben der Humanisten, die Welt befände sich an der Schwelle zu einem “goldenen Zeitalter”.


Warum gerade die Frauen?

Noch zum Ausgang des Mittelalters hatten Frauen eine weitaus stärkere Stellung inne gehabt. Sie übten Berufe aus (vor allem in den Bereichen Versorgung, Nahrung und Heilkunde), konnten Meisterinnen sein (bis um 1500 gab es noch Frauenzünfte) oder sie übten über die Mitarbeit bei ihren Männern (z.B. Buchhaltung) Einfluss aus. Ab der Reformation jedoch, mit dem wirtschaftlichen Niedergang der Städte, wurden sie zunehmend rechtloser. Gesellschaftlich anerkannt war nur noch der Stand als Hausfrau oder Witwe. Und was da als ehrbares Verhalten akzeptiert wurde, war sehr eng gefasst. Immer wieder finden sich in zeitgenössischen Akten Vermerke wie: “Sie verhalte sich nicht wie ein bieder Weib”.

Die frühe Neuzeit ist gegenüber dem Mittelalter also eine Zeit der Ausgrenzung von Frauen: Einst zugestandene Rechte wurden ihnen sukzessive wieder genommen, sie wurden zunehmend zur Verhäuslichung gedrängt. Und als häuslicher Mittelpunkt konnten sie schnell verantwortlich gemacht werden für geschädigte Personen oder krankes Vieh.

Zugleich hatte sich das vorherrschende Frauenbild gewandelt: Der Mann gilt als Schöpfer, die Frau nur als Gefäß. Zu diesen Vorstellungen hatte größtenteils die Kirche beigetragen mit einflussreichen Theologen und so zweifelhaften Werken wie der oben erwähnte “Hexenhammer”. Mit ihrem schwachen Charakter und Glauben sowie ihrer übersteigerten Triebhaftigkeit wegen sei die Frau anfälliger für den Teufelspakt. Der letzte Aspekt wurzelt in der aufkommenden Sexualfeindlichkeit, die mit der Verbreitung von Syphilis zusammenhängt. Hinzu kommt, dass Frauen traditionell mehr magische Kräfte zugesprochen wurden.

Die neue Ausgrenzung und Reglementierung bekamen vor allem selbstbewusste Frauen zu spüren, die ihr Leben eigenständig gestalten wollten – nicht selten waren dies Witwen angesehener Stadtbürger. Wie wenig damals dazu gehörte, aus der zugewiesenen Rolle zu fallen und wie schnell man sich damit in tödliche Gefahr brachte, soll das Schicksal der Catharina Stadellmenin exemplarisch zeigen.

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