Hintergrundinformationen - "Die Himmelsbraut"
Die Story und ihre Schauplätze
Die Familien- und Liebesgeschichte um Antonia und Phillip ist meiner Phantasie entsprungen. Ihre Heimat habe ich in einem Schwarzwaldtal angesiedelt, zu dem mir das romantische Durbachtal zwischen Oberkirch und Offenburg Pate stand. Eine Reichsritterschaft Holderstein mit einem Dörfchen Unterthann hat es dort nie gegeben, doch hätte die kleine Herrschaft so oder so ähnlich überall im mittleren Schwarzwald zu finden sein können. Schließlich bildeten Oberrhein und Ortenau einen wahren Flickenteppich an größeren und kleineren Territorien, darunter z.T. winzige Ritterschaften.
Ebenfalls frei erfunden ist das Kloster Liebfrauenwalde im Hochschwarzwald, irgendwo zwischen Bonndorf und Stühlingen angesiedelt. Es kam nicht selten vor, dass ein darniederliegendes Kloster sein Mutterkloster oder sogar einen fremden Orden um personelle Hilfe rief. Gerade bei Frauenklöstern waren Ordenswechsel im Spätmittelalter recht häufig.
Historisch belegt hingegen ist Marienau vor den Toren von Breisach (siehe Bild). Das Zisterzienserinnenkloster, im 12. Jh. gegründet, unterstand der oberelsässischen Abtei Lützel und wurde zu jener Zeit von Lucia Störkin geleitet. Man vermutet seine Lage zwischen Eckartsberg, Neutorplatz und Rheinauen. Im Mai 1525 wurde Marienau dem Erdboden gleichgemacht. Allerdings nicht durch die aufständischen Bauern, sondern aus strategischen Gründen durch den eigenen Schutz- und Schirmherrn, die Stadt Breisach: Die befürchtete nämlich einen Einfall der Bauern vom Klostergelände her, das an die Stadt grenzte – und die dortigen Nonnen verdächtigte man ohnehin, mit dem Feind zu paktieren.
Tatsächlich standen damals etliche Nonnen dem Luthertum nahe und hatten nach ihrer Vertreibung sogar geheiratet, so die einstige Äbtissin Lucia Störkin den Breisacher Bürger Diepold Walther. Das heute im Münster zu Breisach aufgestellte Chorgestühl stammt übrigens noch aus Marienau..
Was die in Freiburg spielenden Kapitel betrifft, so habe ich mich in punkto Reformation und Bauernkriege ebenfalls an die geschichtlichen Fakten gehalten. Auch die erwähnten Persönlichkeiten aus Universitäts- und Geistesleben sind historisch, genau wie der Bauernführer Hans Müller von Bulgenbach. So habe ich versucht, mit einer fiktiven Geschichte den Lesern jene epochale Umbruchzeit nahezubringen, die zugleich das Ende des Mittelalters und den Beginn unserer Moderne bedeutet. Im Übrigen auch den endgültigen Niedergang des klassischen Rittertums….
Der Zisterzienserorden
Der Name rührt von dem französischen Kloster Cîteaux her (lat. Cistercium, dt. Zisterze), das 1098 von einigen Benediktinern in Reformabsicht gegründet wurde. Man wollte wieder zu den Ursprüngen der Benediktregel zurückfinden, zu einem einfachen Leben in Gebet und Arbeit, denn dem Benediktinerorden waren durch Prachtentfaltung und Reichtum seine Ideale abhanden gekommen. Nicht länger von den Abgaben abhängiger Bauern, sondern nur von der eigenen Hände Arbeit wollte man wieder leben. Mit Bernhard von Clairvaux verbreitete sich die neue Gemeinschaft rasch in ganz Europa. 1120 schließlich wurde das erste Zisterzienserinnenkloster für Frauen gegründet..
Die Zisterzen, stets der Jungfrau Maria geweiht, zeichnen sich in der Regel durch ihre abgeschiedene Lage aus und ihre schlichte, wenngleich großartige Baukunst (ein Besuch im Zisterzienserkloster Maulbronn, nicht umsonst Weltkulturerbe, lohnt sich unbedingt!). Dort, wo niemand siedeln wollte, leisteten die Mönche Pionierarbeit: Sie machten Sumpf- und Waldgebiete urbar, legten Fischteiche und ausgeklügelte Bewässerungssysteme an, entwickelten das Mühlenwesen weiter, bauten Straßen und Brücken – als wahrhaftige Ingenieure und Baumeister des Mittelalters!
In dieser Abkehr von der Welt entfaltete sich ein intensives religiöses Leben und im späten Mittelalter dann, gerade unter den Nonnen, eine stark gefühlsmäßige, auf Jesus Christus ausgerichtete Frömmigkeit mit mystischen und visionären Zügen, die bis zu ekstatischen, ja psychotischen Zuständen führen konnte. In meinem Roman zeigt sich dies in Antonias Schwester Magdalena.
Doch mit seiner erfolgreichen Ausbreitung begann sich auch dieser Reform-Orden von seinen Gründungsidealen zu entfernen. Die effiziente Wirtschaftsweise hatte die einzelnen Klöster reich gemacht, die umfangreichen Ländereien konnten nicht länger in Eigenarbeit bewirtschaftet werden. Daher begannen die Zisterzienser, von den Abgaben abhängiger Pachtbauern zu leben, wie schon die Benediktiner vor ihnen - manche Zisterzen „besaßen“ bis zu zwanzig Dörfer und Meierhöfe, mit Gerichtsbarkeit über ihre Untertanen!
Frau und Kloster
Das Mönchtum galt über Jahrhunderte als vollkommenste Lebensform überhaupt. Bis ins Hochmittelalter allerdings waren die wenigen Frauenklöster den Töchtern aus dem Hochadel vorbehalten, da die Aufnahme i.d.R. nur nach großzügigen Schenkungen, meist Landgütern, erfolgte. Mit dem 13. Jh. dann drängten immer mehr Frauen in die Orden, ein wahrer Boom an Klostergründungen folgte, mit einem Ansturm vor allem bei den Zisterzienserinnen und den Bettelorden (Franziskanerinnen, Dominikanerinnen). Seit dem 14. Jh. bröckelte auch das Adelsvorrecht und man öffnete sich, vor allem in den Bettelorden, allen Schichten.
Doch auch zuvor schon hatten nicht-adlige Frauen ins Kloster eintreten können, und zwar als Laienschwestern (Konverse), die die Nonnen bei körperlichen Arbeiten entlasteten. Konverse arbeiteten als Klosterhandwerker, im Haushalt oder in der Landwirtschaft, aber auch (natürlich nur in den Männerklostern) als Kaufleute und in der Verwaltung. Von den Religiosen, also den Nonnen bzw. Mönchen, lebten sie räumlich getrennt, konnten keine Weihen empfangen, Gebets- und Fastenpflicht waren gemindert. Eine Unterscheidung zwischen Religiosen und Laienschwestern/–brüdern gibt es heute übrigens nicht mehr.
Was nun machte das Klosterleben für viele Frauen so attraktiv? Neben dem christlichen Glauben war es natürlich immer auch der Gedanke an Versorgung und sozialer Sicherheit. Zum zweiten konnte frau sich im Kloster der rechtlichen Vorherrschaft des Mannes (zunächst des Vaters, später des Ehemanns) entziehen. Dies war sonst nur als Witwe möglich, zum Preis der Schutzlosigkeit. Ein dritter Aspekt betrifft das Kloster als Ort der Produktion von Kunst, Wissenschaft, Philosophie. Bis zur Gründung der Universitäten waren Klöster die einzige Bildungsinstitution, und diese stand auch den Frauen offen - über Jahrhunderte der einzige Ort, an denen Frauen lesen lernen, wissenschaftlich arbeiten und sich weiterentwickeln konnten. Viele Nonnen beherrschten neben der Kirchensprache Latein sogar Griechisch und Hebräisch, widmeten sich Schreibkunst und (Buch-)Malerei oder stellten Arzneien her.
Übrigens gab es damals nicht annähernd eine Gleichberechtigung zwischen Nonnen und Mönchen, was in der Natur der katholischen Lehre begründet ist (die Frau als Verführerin bzw. Trägerin der Erbsünde zum einen, ihre zweitrangige Stellung in der Schöpfung zum anderen). So wurden Frauen vom Altardienst ausgeschlossen, konnten weder das Sakrament der Priesterweihe empfangen noch priesterliche Funktionen erfüllen. Nicht einmal predigen durften sie, auch wenn sich einzelne Nonnen immer wieder darüber wegsetzten, wie etwas Hildegard von Bingen. Damit waren Nonnen (und sind es in der katholischen Kirche bis heute) auf geistliche Betreuung durch Priester und Beichtväter angewiesen, so dass man selbst Zisterzienser-Nonnenklöster nahe der Städte gründete. Trotz einiger Versuche war es den Nonnen des Mittelalters auch niemals gelungen, eigene Orden zu bilden, sondern mussten sich den bestehenden Männerorden eingliedern, die über ihr Frauenkloster Weisungs- und Hausgewalt innehatten. Wer sich der Macht der Kirche und Ordensgemeinschaften nicht fügen wollte, wie die Beginen und freien Schwesternsammlungen, geriet schnell in Ketzereiverdacht.
Doch nicht einmal in Wirtschaft und Verwaltung waren die Frauen autark: Der Vaterabt, der Propst oder auch ein weltlicher männlicher Schirmherr (Klostervogt, Klosterschaffner) vertrat das Kloster nach außen in allen Rechtsgeschäften, verwaltete die Klostergüter, prüfte die Rechnungsbücher, gab Erlaubnis zu Finanzgeschäften und Verträgen. Im besten Falle nahm der männliche Vorsteher diese Angelegenheiten in Absprache mit der Äbtissin und dem Konvent wahr. In Marienau waren es übrigens Breisacher Ratsherren, die das Kloster rechtlich vertraten und das Vermögen verwalteten.
Das klösterliche Leben in der Krise
Schon immer war das klösterliche Leben Anfechtungen von außen und von innen ausgesetzt, schwankte zwischen den alten Idealen und Abgleiten in Verweltlichung. Dem versuchte es durch innere Reformen oder auch durch neue Reformorden zu begegnen. Der heftigste Sturm brach allerdings mit Martin Luthers neuer Lehre über das Mönchtum herein, was am Ende zwar nicht die Idee des Ordenslebens, wohl aber etliche Klöster hinwegfegte.
Luther lehnte das Mönchtum grundsätzlich ab und bezeichnete Klöster als des Teufels Schlammpfützen und Hurenhäuser! Was steckte hinter diesem harschen Urteil? In den meisten Klöstern und Abteien hatte man sich weit entfernt von Askese, Demut und einem Leben in der Nachfolge Christi. Armutsideal und Gemeinschaftsleben lösten sich auf. Durch großzügige Stiftungen und weltliches Wirtschaften hatte sich Reichtum und Macht angehäuft, viele Klöster glichen wahren Prachtschlössern, hatten mehr Dörfer und Leibeigene als mancher Graf.
Damit einher gingen Bequemlichkeit, Völlerei und Sittenlosigkeit, man lebte mancherorts in Protz und Prunk wie der Hochadel, während die einfachen Pfarrer ihre Seelsorge gegen einen Hungerlohn verrichteten. Religiöser Tagesablauf und Fastengebote wurden vernachlässigt, ebenso die Bildung: Ganze Bibliotheken wurden verramscht, liturgische Gerätschaften verscherbelt. Man reiste übers Land, in Schnabelschuhen, Seidengewändern und pelzgefütterten Kapuzen, besuchte Märkte und Freunde, verlustierte sich bei Kirchweih und Fastnacht. Nonnen wie Mönche bewirteten Gäste beiderlei Geschlechts, hinter Tanz und Unterhaltung jedweder Art blieb der Gottesdienst zurück. Für die Arbeit hatte man ohnehin Knechte und Mägde.
Am Ende waren Klerus und Mönchtum dem Volk regelrecht verhasst geworden! Auch wenn in den zahlreichen Flugschriften sicher oftmals ein Zerrbild gezeichnet wurde, so war die Zersetzung mönchischer Ideale offensichtlich. Mir lag nun daran, das Klosterleben am Vorabend der Reformation in seiner Spannbreite zu zeigen zwischen Verfall und Reformbemühen, zwischen (sittlichem) Niedergang und einem Ort einzigartiger Bildung für Frauen.
Martin Luther und die Reformation
Ohne es zu ahnen, hatte der Augustinermönch Martin Luther (siehe Bildnis von Lucas Cranach) mit der Veröffentlichung seiner Thesen im Jahre 1517 eine Lawine losgetreten. Hatte er zunächst, wie damals üblich, in Gelehrtenkreisen „nur“ zur Diskussion über den Ablasshandel auffordern wollen (ob er die Thesen tatsächlich am Portal der Wittenberger Schlosskirche anschlug, ist historisch nicht belegt), so fanden seine streitbaren Gedanken einen derart starken öffentlichen Widerhall, der schließlich die Reformation auslöste. Dabei ging es dem gelehrten Priester und Doktor der Theologie nicht nur um jene Praxis, mit der sich die Gläubigen einen (je nach Geldbetrag) zeitlichen Erlass ihrer Sündenstrafen im Fegefeuer erkaufen konnten, sondern generell um eine verkehrte Bußgesinnung, ja mehr noch: um eine Kirche, die krank an Haupt und Gliedern sei.
Seine bahnbrechende Erkenntnis: Gott sei nicht käuflich, nur wer wirklich glaube, werde gerettet. In späteren Schriften sollte Luther dann den Papst sogar als Antichristen, seine Kardinäle und Bischöfe „als Geschwärm der römischen Sodoma“ angreifen, die heilige Stadt selbst als „des Papstes Jahrmarkt“. Zudem lehnte er den Zölibat ab, forderte die Auflösung der Klöster und prangerte die Käuflichkeit von Kirchenämtern innerhalb eines korrupten Klerus an.
Er geriet unter Ketzereiverdacht, seine Schriften wurden verbrannt. Beim Reichstag in Worms (April 1521) sollte er vor Kaiser und Kirche widerrufen, was er verweigerte. Als er daraufhin für vogelfrei erklärt wurde, ging zum Entsetzen seiner Anhänger die Nachricht von seiner Gefangennahme und Ermordung durch die Lande. In Wirklichkeit war er von Leuten des sächsischen Kurfürsten Friedrich der Weise, seinem mächtigen Gönner, zur Schutzhaft auf die Wartburg gebracht worden. Dort übersetzte er in aller Stille, als Junker Jörg verkleidet, in nur elf Wochen das Neue Testament vom Lateinischen in die Sprache des Volkes – eine sprachliche Meisterleistung und ein weiterer Schritt zur reformatorischen Wende.
Im März 1522 konnte er nach Wittenberg zurückkehren, rastlose Reise- und Schaffensjahre folgten. Zu dieser Zeit flohen immer mehr Mönche und Nonnen aus ihren Klöstern, darunter die Zisterzienserin Katharina von Bora. Auch Luther legte die Mönchskutte ab und heiratete seine Katharina im Juni 1525.
Die Zeit war reif für eine Wende. Nach dem Trauma der Großen Pest, der langjährigen Kirchenspaltung, der Bedrohung durch Osmanen seit der Einnahme von Konstantinopel 1453 war die Einheit des christlichen Abendlands brüchig geworden. Mit den Entdeckungen neuer Weltteile, mit Erfindungen und neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen steckte der Mensch mittendrin in einer rasanten Entwicklung, die oftmals die eigene Vorstellungskraft überstieg. Dazu kam der Gutenbergsche Buchdruck, der ganz plötzlich neue Gedanken in Windeseile durch die Lande brachte, auch unbotmäßige und verbotene.
Zu Zentren der Reformation wurden Kursachsen, die Landgrafschaft Hessen, die Kurpfalz, das Herzogtum Württemberg und viele Reichsstädte vornehmlich im Südwesten. Dort wurden die Klöster aufgelöst oder in Schulen und Seminare umgewandelt. Die reformierten Fürsten konnten nahezu ungehindert ihren neuen Glauben einführen, da der Kaiser zu sehr mit dem Kampf gegen die Türken und seinem Krieg gegen Frankreich beschäftigt war.
Der Niedergang der kirchlich-päpstlichen Autorität und des Mönchtums war das eine. Auch der Adel und das Rittertum verloren an Macht gegenüber den neuen Reichen aus den Städten: den selbstbewussten Kaufherren und Patriziern! Was wir heutige gemeinhin unter Mittelalter verstehen – die starre Ständegesellschaft von Adel, Klerus und Bauer, die höfische Kultur mit hoher Minne und Rittertugenden, das Bildungsmonopol der Klöster, das harte Los der Leibeigenen – all das löste sich auf. Unter den Bauern und ärmsten Schichten, die ihre gottgegebene Dulderrolle anzuzweifeln begannen, brodelte es: Bei ihnen fiel die neue Lehre auf besonders fruchtbaren Boden!
Der Deutsche Bauernkrieg
Unter Berufung auf Bibel, göttliches Naturrecht und Luthers Flugschriften, die ab 1520 überall auf Deutsch kursierten, versammelten sich die Bauern und forderten ein Ende von Leibeigenschaft und Unterdrückung. Luthers Worte wurden dabei zu Brandfackeln des Aufstands: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Ding und niemand untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbar Knecht aller Ding und jedermann untertan.“ Und an anderer Stelle: Man glaube nur nicht, die Sache könne „ohne Lärm, ohne Ärgernis und Aufruhr betrieben werden. Das Wort Gottes ist Schwert, ist Krieg, ist Zerstörung, ist Ärgernis, ist Verderben.“
Schon bald kam es im Volk zu spontanen Tumulten und Bilderstürmen: Messepriester wurden von Altären vertrieben, Kirchen- und Altarschmuck abgetragen, Heiligenbilder und Reliquien als Götzenbilder zerstört. Und ebenso bald distanzierte sich Luther von den Aufrührern, die ausgerechnet ihn um Unterstützung und als Schiedsrichter anriefen. Mit den erregten Massen (und ihren politischen Forderungen!) wollte er nichts zu tun haben, denn die Obrigkeit sah er als gottgegeben: „So wird dich wahrlich dies zu keinem Christen machen, dass du die Klöster einreißest, die Obrigkeit verachtest, dich voll und toll frissest und säufst.“ Seine Abkehr von den Bauernaufständen gipfelte in der Schrift: „Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern“ – was ihn am Ende den Verlust seiner Volkstümlichkeit kostete, indem er von den Bauern als „Fürstenknecht“ gescholten, ja gehasst wurde.
Auch wenn Luther es gewollt hätte: Die Erhebung der Bauern war nicht aufzuhalten. Der erste größere Aufstand fand, wie in meinem Roman beschrieben, im Juni 1524 in der Landgrafschaft Stühlingen statt, unter dem charismatischen und wortgewaltigen Hans Müller von Bulgenbach. Die „Feldzüge“ seiner Schar, des Schwarzwälder Haufens, habe ich in meiner Geschichte und auch im Nachwort möglichst faktengetreu nachgezeichnet und möchte daher hier nicht weiter darauf eingehen.
Nur so viel: Schlag auf Schlag schlossen sich überall im Land kleinere Bauernschaften zu riesigen Haufen zusammen, um ihre Forderungen durchzusetzen. Die präsentierten sich keineswegs als ungezügelte Massen, sondern organisiert wie Landsknechtsheere mit strengen Feldordnungen. Bald standen der südliche Schwarzwald, Oberschwaben mit dem Allgäu sowie der Breisgau in Aufruhr und im Frühjahr 1525 fast ganz Oberdeutschland und Thüringen. Zum Programm wurden die berühmten „12 Artikel“ der Oberschwaben. Ihre Forderungen (wie Wahl evangelischer Pfarrer, Minderung der Frondienste und der drückenden Abgaben, Freigabe von Wald, Jagd und Fischfang, Aufheben der Leibeigenschaft) waren allesamt aus der Bibel begründet und gelten als erste Niederschrift von Menschen- und Freiheitsrechten in Europa. Zum großen Vorbild waren die Schweizer Eidgenossen geworden, die es als Bauern und Hirten zu einem freien Volk auf freiem Grund gebracht hatten.
War die 1. Phase bis März 1525 noch gekennzeichnet durch Haufenbildung und Orientierung, durch Verhandlungen und Verträgen mit Klöstern, Dörfern und Städten, die der sog. christlichen Brüderschaft der Bauern mehr oder weniger freiwillig beitraten, kam es ab April zu blutigen Auseinandersetzungen mit einem mächtigen Gegner: Dem Schwäbischen Bund. Unter dessen Dach hatten sich einst süddeutsche Territorialfürsten, Adlige und Reichsstädte zur Wahrung des Landfriedens zusammengeschlossen
Doch statt mit den Bauern ernsthaft zu verhandeln, stellte man ein riesiges Heer auf mit einem gnadenlosen Mann an der Spitze: Georg Truchsess von Waldburg-Zeil, genannt „Bauernjörg“ (siehe Bild), bald schon verhasst und gefürchtet wegen seiner erbarmungslosen Grausamkeit gegen die Aufrührer. Die wehrten sich mit dem Mut der Verzweiflung, im wachsenden Zorn steckten sie Klöster und Burgen in Brand, plünderten sie und ließen ihre Grundherren Spießruten laufen. Doch das Heer des Truchsess zog unbeirrt seine blutige Spur kreuz und quer durch die südlichen Lande und zerschlug mit seinen Geschützen und gepanzerten Reiterstaffeln nach und nach die Haufen. Den versprengten Bauern ließ der Truchsess hinterherjagen, überfiel sie in ihren Dörfern, ließ sie foltern, verstümmeln und hinrichten, manch einer der Rädelsführer wurde bei lebendigem Leibe verbrannt. Nach seiner Schlacht gegen die fränkischen Bauern bei Würzburg (in nur zwei Stunden wurden 8.000 Bauern getötet!) besiegte er im Allgäu Ende Juli die letzten Aufständischen. Übrigens wurde ihm für seine „Verdienste“ ein beachtlicher Teil der betreffenden Gebiete zugesprochen, und er kassierte Lösegelder für diejenigen, die er am Leben ließ.
Fast zeitgleich wurden auch im Elsass, in Thüringen und in der Pfalz die Aufstände blutig niedergeschlagen. Damit war die große deutsche Bauernerhebung, der sich auch Stadtbewohner und Ritter angeschlossen hatten (so der Theologe und spätere Bauernführer Thomas Müntzer oder der Reichsritter Florian Geyer), in sich zusammengebrochen. Die Bauern waren an der Übermacht ihrer Gegner gescheitert, etliche von ihnen hatten ihre Vision von einem gerechten und befreiten Bauernstand mit dem Leben bezahlt. Das Strafgericht, bei dem Ströme von Blut flossen, dauerte noch jahrelang. Der zeitgenössische Chronist Valerius Anshelm schätzte die Gesamtzahl der toten Aufrührer im Südwesten Deutschlands auf 130.000 – von den Verstümmelten ganz zu schweigen. Die Abschreckung hatte Erfolg: Von nun an gab es in Deutschland über 300 Jahre lang keine überregionalen Aufstände mehr.