Hintergrundinformationen - "Das Mädchen und die Herzogin"


Biographie einer Herrscherin?

Auf die bayrische Prinzessin Sabina (s. Bild unten) bin ich gestoßen bei meinen früheren Recherchen über die alten Württemberger, und ich war entsetzt, was diese Frau in ihrer erzwungenen Ehe mit Herzog Ulrich alles erleiden musste.

Warum nun aber eine Herzogin als Hauptfigur, eine Prinzessin aus dem hohen Geschlecht der Wittelsbacher? Ganz einfach: Weil Frauen in der offiziellen Geschichtsschreibung, wenn sie nicht gerade Marie-Antoinette oder Maria Stuart heißen, ein Schattendasein führen. Alltagsgeschichte muss nicht unbedingt heißen, das Leben der “kleinen Leute” zu erzählen – es kann auch bedeuten, Frauen dem Schatten ihrer berühmten Männer zu entreißen und ins Licht zu stellen.

files/AstridFritz/Bilder Hexe bis Kondor/P.Bruegeld.Ae.Die_Heuernte.jpgDem höfischen Alltag von Sabina habe ich als Kontrast das harte, entbehrungsreiche Leben des Bauernmädchens Marie entgegengesetzt. Marie und Vitus sind erfundene Figuren, die stellvertretend stehen für die große Mehrzahl der Menschen damals, nämlich dem Stand der Landbevölkerung. Die hatte unter der Verschwendungssucht und Misswirtschaft ihres Landesherrn am meisten zu leiden, bis schließlich ihre Empörung zum ersten Bauernaufstand im alten Württemberg geführt hat, dem “Armen Konrad”. Hierbei habe ich mich eng an die historischen Ereignisse und Protagonisten gehalten.


Ulrich, der notorische Wüterich unter Württembergs Herrschern

Herzog Ulrich, Sohn des Grafen Heinrich, wuchs ohne Eltern und Erziehung auf: seine Mutter starb im Kindbett, sein Vater wurde drei Jahre nach seiner Geburt von der Erbfolge in Württemberg ausgeschlossen und auf der Festung Hohenurach eingekerkert – wegen Tollheit und Tobsucht! Erst als Kaiser Maximilian den jungen Ulrich wie einen eigenen Sohn unter seine Fittiche nahm, begann für diesen ein kometengleicher Aufstieg. Und auch bei der Brautwahl hatte der Kaiser die Finger im Spiel: Sabina von Baiern war nämlich seine Lieblingsnichte.

files/AstridFritz/Bilder Hexe bis Kondor/MH-Ulrich-geschnitten.jpgÜber Ulrich von Württemberg (siehe Bild) ist sehr viel geschrieben worden. Mal wird er als hitzköpfiger Tyrann und Mörder dargestellt (er ermordet in blinder Wut seinen Freund und Stallmeister Hans von Hutten), mal als großer Festungsbaumeister und als Stifter der Reformation in Württemberg, was er beides in der Tat auch war. Und in Wilhelm Hauffs Roman “Lichtenstein” ist er gar, als edler Held, in die Weltliteratur aufgestiegen!

Dabei würde man heute wohl sagen, dass Ulrich an einer schweren Persönlichkeitsstörung litt –wie dem auch sei, Sabina war ihm als Ehefrau jedenfalls völlig ausgeliefert! Über Sabina hingegen gibt es nur eine Doktorarbeit, 1946 von einer Frau verfasst, die versucht, sich der historischen Sabina anzunähern. Ansonsten wird sie von männlichen Zeitgenossen und Historikern höchstens am Rande erwähnt, und dann zumeist als “zickiges, herzloses Mannweib”, als “heftig und grob”, als “scharf mit der Rede, auch gegen Männer”!


Die historische Sabina

Mit Sabinas Rückkehr aus dem Bairischen Exil nach Württemberg, im Spätjahr 1519, endet mein Roman. Dort, in der kleinen Residenz Urach, lebt sie vierzehn Jahre lang, immer in Angst, der außer Landes gejagte Ulrich könne zurückkehren.

Auch sonst war keinesfalls Ruhe in ihr Leben eingekehrt. Etliche Schicksalsschläge sollten sie noch treffen, wie der Pesttod der erst siebzehnjährigen Tochter Anna, die Entführung ihres Sohnes und Thronfolgers Christoph durch die Habsburger Kaiserfamilie. Dazu plagten sie finanzielle und materielle Nöte.

Ein Trost war ihr sicher, neben der Beschäftigung mit den neuen Lehren Luthers, der Ritter Dietrich Speth, der immer an ihrer Seite stand, sowie der enge Briefkontakt mit dem heranwachsenden Sohn. Dieser Thronfolger Christoph war schon damals bekannt für seine ungewöhnlichen Begabungen, seine Bildung und Klugheit und sein offenes, heiteres Wesen – und war denn auch bis ans Lebensende sehr beliebt und als Herrscher überaus erfolgreich.

Ein böser Schlag für Sabina war dann Ulrichs Rückeroberung in 1534 – sie und Dietrich mussten erneut fliehen. In Baiern war sie inzwischen nur noch geduldet, wegen Erbstreitigkeiten hat man sie sogar eingesperrt. Die Wende zum Guten kam erst 1550, mit Ulrichs Tod – da war sie bereits 58 Jahre alt. Krank und erschöpft kehrte sie wieder nach Württemberg zurück - als Witwe eines Mannes, den sie seit 35 Jahren nicht mehr gesehen hatte! Dafür wurde endlich ihr Lebenstraum wahr: Ihr Sohn Christoph wurde unter dem Jubel der Bevölkerung zum neuen Herzog gehuldigt.

files/AstridFritz/Bilder Hexe bis Kondor/MH-Sabina-geschnitten.jpgChristoph sorgte vorbildlich für Sabina, schickte sie nach Wildbad zu Kur, versorgte sie mit ausreichend Geld und übergab ihr Schloss Nürtingen als neuen Witwensitz.
Dort lebte sie noch dreizehn erfüllte Jahre, sorgte für Bildung vor allem der Mädchen, stellte Arzneien für Kranke her, tat sich als Stifterin und Wohltäterin hervor, zu der jedermann Zutritt hatte und die von den Armen verehrt wurde.

Sie selbst lebte sehr genügsam, ein Großteil ihrer Einkünfte ging an Bedürftige und treue Diener. Zudem gedieh ihr kleiner Hof bald zu einem lokalen Zentrum des Protestantismus in Württemberg, mit einer weithin bekannten Bibliothek. Christoph suchte nicht selten ihren Rat in Regierungsgeschäften. Die Nähe zu ihrem Sohn und ihren zahlreichen Enkelkindern brachte ihr endlich die lang ersehnte Ruhe.

Als sie Ende August 1564 im hohen Alter von 72 Jahren nach einem Schlaganfall starb, herrschte laut den Quellen unermessliche Trauer in allen Häusern Nürtingens. Die Ironie der Geschichte: Heute ruhen Sabinas sterbliche Überreste neben denen Ulrichs im Chor der Tübinger Stiftskirche, und zwar so einträchtig, als habe es ihre Ehehölle nie gegeben. Wie zum Trost indessen sind auch ihre Kinder Christoph und Anna dort beigesetzt.


Der Ritter Dietrich Speth

Dietrich Speth (in mancher Schreibweise auch: Spät) entstammte einem alten oberschwäbischen Adelsgeschlecht. War er zu Anfang noch Ulrichs Freund und Gefolgsmann, wandte er sich bald enttäuscht von ihm ab.

Dafür stand er immer treu an Sabinas Seite, hatte auch ihre Flucht nach Bayern initiiert und durchgeführt. Schon zu Sabinas Lebzeiten kochte daher die Gerüchteküche - etwa, dass der Thronfolger Christoph ein Sohn Dietrich Speths sei. Ob hinter dieser engen Freundschaft tatsächlich eine heimliche Liebe gesteckt hat, ist historisch nicht eindeutig zu belegen, erscheint aber mehr als wahrscheinlich.

Dietrich, zum Frankreichfeldzug einberufen, wurde übrigens 1538 während der Schlacht bei Marseille tödlich verwundet.


Das alte Stuttgart

Die württembergische Residenz Stuttgart war zu Sabinas Zeiten äußerst bescheiden und hatte so gar nichts mit der heutigen Großstadt gemein, auch nicht mit den weitläufigen Anlagen aus späterer Zeit rund um das Neue Schloss.

Im sumpfigen Tal des Nesenbachs erhob sich die ummauerte Innenstadt, mit Altem Schloss und Stiftskirche. Der Bach floss damals noch oberirdisch, speiste Teile des Burg- und Stadtgrabens, dazu gab es zwei kleine Stauseen (am Stadtgarten bei der Universität und bei der Liederhalle). Zwei Vorstädte schlossen sich an: die Obere oder Reiche Vorstadt rund um die Hospitalkirche, wo die vornehmen Bürger, die sog. Ehrbarkeit, und die Gelehrten lebten. Sodann die Esslinger oder Leonhardsvorstadt rund um die Leonhardskirche (heutiges Bohnenviertel), dem Quartier der Handwerker und Taglöhner.

Nur etwa 5000 Einwohner hatte die Stadt, und alles war sehr eng und für eine herzogliche Residenz wenig repräsentativ. Umso erstaunter waren die Zeitgenossen über den Prunk und Pomp bei Ulrichs Hochzeit mit Sabina: 16.000 Gäste mit 7000 Pferden wurden zwei Wochen lang verköstigt und beherbergt, amüsierten sich bei endlosen Banketten, Tanzfesten und Ritterspielen. Geladen waren Kurfürsten, Bischöfe, Markgrafen, kaiserliche Gesandte, Gelehrte –alles, was Rang und Namen hatte. Dazu erschien noch allerlei fahrendes und ehrloses Volk, wie Gaukler und Musikanten, fahrende Studenten und Bettelmönche, Bettler, Diebe und Dirnen. Für sie alle floss Wein um Gotteslohn aus einem achtröhrigen Brunnen am Eingang des Alten Schlosses, Garküchen an jeder Ecke verteilten kostenloses Essen.

files/AstridFritz/Bilder Hexe bis Kondor/Bauernkrieg 1525.jpgLaut herzoglicher Buchführung wurden verbraucht: 136 Ochsen, 1.800 Kälber, 130 Schweine, 570 Kapaune, 5.000 Hühner, dazu Pfauen, Gänse, Enten, Auerhähne und Tauben. Aus den Wäldern 500 Stück schwarzes und rotes Wildbret sowie 450 Hasen, an Fischen elf Tonnen Salme und Lachse, fünf Tonnen Rheinfische, 90 Tonnen Heringe und so weiter und so fort. Das Ganze verschlang fast ein Jahreseinkommen des Hofstaates. Zu schultern hatte die Verschwendungssucht ihres Herzogs das Volk – bis es im nahen Remstal zu den ersten Aufstände kam.

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