Mahlzeit oder „Wohl bekomm’s!“

 

Zu Tisch im Mittelalter

files/AstridFritz/Bilder Extras/Schlaraffenland Brueghel aeltere.jpgDie damalige Ernährung unterschied sich grundlegend von der unsrigen: Hauptnahrungsmittel war Getreide (die Kartoffel aus Südamerika wurde erst im 17. Jahrhundert heimisch), als Obst und Gemüse kam auf den Tisch, was gerade reif war, gesüßt wurde mit Trockenfrüchten oder dem teureren Honig, gewürzt mit Knoblauch, Meerrettich, Senf und heimischen Kräutern. Eingekauft wurde auf dem Markt oder man baute Obst und Gemüse selbst an und hielt sich Vieh – nicht nur der Landmann, sondern auch der Bürger in der Stadt: Der sog. Ackerbürger besaß Kleinvieh und ein Gärtchen oder Feldstück draußen vor der Stadtmauer.

Im Winter war der Tisch entsprechend der Jahreszeit karg gedeckt, obendrein legten die Hühner keine Eier, Milch war mager, teuer und eignete sich kaum zum Buttern. Fleisch, Fisch, Obst und Gemüse mussten im Herbst so haltbar gemacht werden, dass es bis zum Frühjahr reichte: Tagelang war man beschäftigt mit Einsalzen von Fleisch, Fisch und Gemüse, mit Trocknen, Dörren (die Früchte wurden vor Verzehr wieder gewässert), Pökeln, Einkochen, Beizen in Essig, Räuchern oder Einsäuern von Kraut. Das Sauerkraut war denn auch das typische Winteressen

Man unterschied streng zwischen Alltags- und Festtagsspeise. Im Bürgerhaushalt wie bei einfachen Leuten ernährte man sich vorwiegend mit dunklem Brot, Getreidebrei und Suppen wie Milch- oder Biersuppen,  Käse- oder Eiersuppen, Mehl- oder Gemüsesuppen. An Feiertagen enthielt die Suppe dann auch Huhn, Kaninchen, Fisch, Speckwürfel oder gepökeltes Fleisch. Dazu gab es frisches Obst oder Trockenfrüchte, man sammelte Beeren und Nüsse, dazu Eier, Käse, Butter, Schmalz und Milch. Aus heutiger Sicht eigentlich eine recht vernünftige Ernährung, vernünftiger wahrscheinlich als die unserer Fast-Food-Zeit.


Was Feld und Garten hergeben

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Kraut und Rüben, Kohl und Hülsenfrüchte (die durch ihren hohen Proteingehalt das Fleisch ersetzten) kamen am häufigsten auf den Tisch. Dazu gab es Pastinaken und wilde Möhren, Zwiebeln, Gurken, Portulak, Mangold und Spinat, Knoblauch, Lauch, Flaschenkürbis, Rettich, Fenchel. An Obst erntete man Äpfel und Birnen, Kirschen und Zwetschgen, Quitten, Pfirsiche, Nüsse und auch schon Melonen. Daneben auch wildwachsende Schlehen, Kastanien, Hagebutten, Mispeln und alle möglichen Beeren.

Der Kräutergarten vor allem in den Klöstern zeigte eine erstaunliche Vielfalt. Man zog Anis, Artischocken, Baldrian, Bockshornklee, Bohnenkraut, Dill, Eibisch, Endivien, Fenchel, Frauenminze, Gartenmelde, Kerbel, Koriander, Kresse, Kreuzkümmel, Liebstöckel, Lilien, Malven, Melisse, Minze, Petersilie, Rosmarin, Salbei, Schnittlauch, Schwertlilie, Ysop und vieles mehr, was heute in Vergessenheit geraten ist. Salat als Speise aus rohen Gemüseblättern und –stücken, zubereitet mit Öl, Essig und Gewürzen, kommt übrigens erst im 15. Jahrhundert aus Italien nach Deutschland.


Alles, was so kreucht und fleucht

files/AstridFritz/Bilder Extras/Stundenbuch Berry Schweinemast.jpgGeschlachtet wurde im Oktober oder November, um sich im Winter das Futter fürs Vieh zu sparen – zuvor wurden die Schweine noch einmal in den Wald zur Eichelmast gejagt. Zudem waren Fleisch- und Wurstwaren im Winter besser haltbar. Und auf den Tisch kam selbstverständlich, anders als heute, alles Essbare, was zum Tier gehört: Kutteln und Magen, Euter und Hoden, Schweinsfüße, Knochenmark und Blutsuppe gehörten keineswegs nur zum Arme-Leute-Essen. Als Fleischlieferant diente nicht nur das Schlachtvieh vom Metzger oder aus dem eigenen Stall. Neben Federvieh, Schwein, Ziege, Rind, Schaf, Fisch und Flusskrebsen verzehrte man auch Tauben und Singvögel, Schwäne und Pfauen, Igel, Eichhörnchen, Siebenschläfer, Biber, Marder, Dachs und Otter. Was das klassische Wild angeht, wie Rotwild, Federwild oder Wildschwein, so hatte nur der Adel das Privileg zur Jagd.

Wer sich an das Fasten hielt (streng genommen jeden Freitag und Samstag, vor den zahlreichen Feiertagen sowie in der Fastenzeit vor Ostern und zu Advent), dem blieben nicht mehr allzu viele Fleischtage im Jahr. Erlaubt waren dann nur noch Gemüse und Fisch, Eier und Milchprodukte hingegen nicht. Angeblich haben Mönche aus diesem Grund die schwäbische Maultasche erfunden, das „Herrgottsb‘scheisserle“, indem sie das Fleischbrät in einem Teigmantel versteckten. Und Tiere, die wie Biber oder Otter am Wasser lebten, wurden zu Fischen erklärt!


Die Würze als Korrektiv

files/AstridFritz/Bilder Extras/Salzhaendler_in_Paris 15 JH.JPGGewürze überdeckten mitunter, der fehlenden Kühlmöglichkeiten wegen, geschickt den strengen Eigengeschmack von Fleisch und Fisch. Teure Gewürze, die sogenannten Spezereien, waren aber auch ein Statussymbol der Vornehmen, und man sparte bei Festessen nicht daran.

Die einfachen Leute griffen zu Anis, Dill, Essig, Fenchelsamen, Kerbel, Knoblauch, Kresse, Kümmel, Lauch, Liebstöckel, Meerrettich, Minze, Petersilie, Raute, Salbei, Sellerie, Senf, Wacholderbeeren und Zwiebel. Adel und Patrizier leisteten sich aus fernen Ländern importierte Gewürze, allem voran den Pfeffer, mit dem so manche Fernhandelskaufleute reich wurden und die sich deshalb „Pfeffersäcke“ schimpfen lassen mussten. Salz war nicht nur zum Würzen, sondern auch zum Haltbarmachen begehrt und wurde seines hohen Preises wegen „weißes Gold“ genannt.

Teuer, weil importiert, waren auch Ingwer, Zimt, Kardamom, Galgant, Muskat, Gewürznelken und Safran (ein Pfund Safran hatte den Wert eines Pferdes!). Zu den Luxusgütern zählten auch Mandeln, Reis und der Rohrzucker, der aus Süditalien kam – Rübenzucker kannte man noch nicht, und auch Honig war zum Süßen recht kostspielig. Mediterrane Gewürze wie Rosmarin oder Thymian verwendete man erst mit dem Ende des Mittelalters.

Der südamerikanische Kaffee kam übrigens erst ab 1520 in Mode, und um 1610 hielt der Schokoladentrunk, aus Kakao von den Antillen, Einzug in edlere Kreise. Zur selben Zeit, zunächst in den englischen Hafenstädten, entstand die Gewohnheit, Tabakskraut in Pfeifen zu rauchen.


Der Speiseplan bei Bauer, Bürger, Edelmann

files/AstridFritz/Bilder Extras/Kaeserei im 15 JH.jpgDie Essgewohnheiten verrieten den Stand. Man sprach von Herren- und Bauernspeise, wobei ersterem auch die städtischen Patrizier nacheiferten, während sich die einfachen Stadtbewohner mit letzterem zufriedengeben mussten. Da das Nahrungsangebot mit den Jahreszeiten schwankte und das Alltagsessen wenig Abwechslung bot, schlug man sich bei Hochzeiten, Taufen oder Empfängen den Bauch. So muten für uns heute die Festessen der Vornehmen wie regelrechte Gelage an: In einem Grafenhaushalt wurden zur Hauptmahlzeit durchaus ein Dutzend Gänge mit bis zu zehn verschiedenen Gerichten aufgetragen, wobei man unter Gang den Gang des Küchenpersonals zur Küche verstand. In den spätmittelalterlichen Städten regelten schließlich detaillierte Verordnungen, wie viele Gänge ein Festessen beim Bürger, wie viele beim Adligen erlaubt waren; sogar die Zahl der Gäste war reglementiert.

Typische Alltagsmahlzeiten waren Süßkraut mit Schweinefleisch, gebackene Eier oder Linsen mit Speck, dazu dunkles Roggenbrot. Semmel- oder Weißbrot aus hellem, feinem Weizen war den Reicheren vorbehalten und wurde daher Herrenbrot genannt. Als Kuchen kannte man Aniskuchen, Striezel, Krapfen, Honigkuchen und Brezeln. Eingeweichtes Brot, Brei, Eier, Milch und Suppen jeder Art waren übrigens schon der fehlenden Zähne wegen nicht nur in unteren Schichten als Alltagsessen beliebt.

Ein Beispiel für die Speisefolge eines bürgerlichen Festessens um 1500: Schweinskopf und Lendenbraten in saurer Soße; Forellen und Äschen; Rebhühner, Kapaun und Hecht in Sülze; Wildschweinbraten in Pfeffersoße; Käse; Kuchen; Obst und Nüsse; Lebkuchen und Konfekt. Beliebte Gerichte bei Festessen waren auch Grünkraut mit Bratwurst, Spanferkel auf Rübengemüse, Gebackenes von gefüllten Oblaten, Kalbfleisch mit Peterlingswurz, Rindfleisch mit Meerettich, versottene (gekochte) Hühner, Fisch in Butterbrühe, geschmorte Ochsenzunge in Zwiebeltunke und zum Nachtisch Mandeltörtchen. Und bei reichen Patriziern gab es dann auch schon mal Wildbret in kostbarem Pfeffer, Aalrutte, Reis mit Zimt und Mandelmilch und zum Nachtisch Marzipan. Gekocht wurde in der Herrenküche mit teurem Öl statt Schmalz, gesüßt mit Honig und Zucker, Weißbrot und Mandelmus gab es als Beigabe bei jedem Gang.

Das Empfangsmenü der Stadt Weißenfels für ihren Bischof bestand 1303 aus folgenden Gängen: Eiersuppe mit Safran, Pfefferkörnern und Honig; Hirsegemüse; Schaffleisch mit Zwiebeln, Brathuhn mit Zwetschgen; Stockfisch mit Öl und Rosinen; Bleie (Karpfenfisch) in Öl gebacken; gesottener Aal mit Pfeffer; gerösteter Bückling mit Senf; gesottene Fische, sauer zubereitet; eine gebackene Barbe; kleine Vögel in Schmalz gebraten mit Rettich; Schweinskeule mit Gurken.

Zu den Höhepunkten fürstlicher Gelage gehörten indessen die sogenannten Schaugerichte. Das konnte ein aus Pastetenteig geformter Vogel sein, dem Pfauenfedern aufgesteckt waren, feuerspeiende Wildschweinköpfe oder mit Blattgold überzogene Täubchen und Wachteln. Manchmal wurde ein ganzer Zoo von modellierten Tieren aufgetragen oder die Speisen schreiend bunt eingefärbt.


Prosit!

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Nicht etwa Wasser war das Hauptgetränk (vom reinen Quellwasser abgesehen war es meist schmutzig und roch!), sondern Säfte, Bier und Wein. Schon die Kleinen tranken Dünnbier, Birnen- und Apfelmost oder Obstweine. Milch und Molke war das Getränk ärmerer Leute, dazu billiger Wein aus Trester (Traubenrückstände), der mit Wasser und Essig, Honig und Eiklar gepantscht war, oder selbstgebrautes Bier.

Guter Wein war viermal so teuer wie Bier. Beliebt bei den Vornehmeren waren die Würzweine, die mit kostspieligem Ingwer, Pfeffer, Paradieskörnern, Muskatnuss und Gewürznelken zubereitet wurden. Hochprozentiges, das als Aqua Vita bereits im Mittelalter für medizinische Zwecke hergestellt wurde, fand als Getränk erst in der frühen Neuzeit Verbreitung.

Auch die Trinkgefäße verrieten den Stand: Die einfachen Leute tranken aus Holz- oder Tonbechern, vornehme Bürger aus Zinngefäßen. Glas kam erst zum Ende des Mittelalters auf, in Form der dickwandigen, grün-bräunlichen Noppengläser.


Tischsitten und anderes

files/AstridFritz/Bilder Extras/Stundenbuch Berry Herzogstafel.jpgFür die Festessen der Vornehmen galt eine strenge Sitzordnung, die den Rang der Gäste verriet. Noch gab es aber kaum Tischdekorationen, von den aufwändigen Schaugerichten oder Tischtüchern einmal abgesehen. Eingedeckt wurden die Tafeln, die eigens zum Essen aufgestellt wurden, mit Salzfass, Trinkbechern und statt Tellern mit Holzbrettchen, auf die man das abgeschnittene Stück Fisch oder Fleisch legte. War die Scheibe sehr feucht, behalf man sich mit einem Brotfladen darunter. Bei einfachen Leuten aß man direkt aus der Schüssel oder von der Platte. Der Essteller für jeden einzelnen ist eine Neuerung der Frühen Neuzeit; je nach Stand war er aus Holz, Ton, Zinn, Silber oder gar Gold.

Besteck sucht man auf der mittelalterlichen Tafel vergeblich. Jeder brachte sein Messer und seinen Holzlöffel für Suppe und Brei mit, die hinterher sauber abgeleckt werden. Ansonsten aß man mit den Fingern, da das Essen in mundgerechten Stücken serviert wurde. Sehr vornehm war es, wenn Wasserschalen und Handtuch zum Fingerabwischen gereicht wurden. Das Wort Besteck bezeichnete zunächst das Futteral am Gürtel, das man quasi lebenslang bei sich trug: Starb man, gab man „den Löffel ab“ an die Nachgeborenen. Zuhause wurde der Holzlöffel nach dem Essen abgewischt und in ein Löffelbrett gesteckt. Gabeln kamen erst, ausgehend von Italien und Frankreich, im 16. Jahrhundert in Mode – vorher galten sie als Symbol des Teufels!

Bei Tisch ging es, gerade bei großen Gelagen, nicht gerade gesittet zu: Löffel und Messer nahm man in die Faust, den Mund wischte man sich am Ärmel, das Messer am Stiefel ab, und geschnäuzt wurde ins Tischtuch, wenn es denn eines gab. Das angebliche Lutherwort „warum rülpset und furzet ihr nicht, hat es euch nicht geschmacket“ deutet auf eine ausgeprägte Geräuschkulisse während des Essens hin.

Auch die Essenszeiten unterschieden sich. Ein Frühstück war bei Bauern und Handwerkern nicht üblich. Erst wurden einige Stunden gearbeitet, bis es zwischen 9 und 10 Uhr mit dem „Frühmal“ die erste warme Hauptmahlzeit gab. Nach Feierabend zwischen 4 und 5 Uhr (im Sommer entsprechend später) nahm man die zweite, größere Mahlzeit ein, das Nachtmahl. Dazwischen gab es nur Brot mit Milch oder Käse als Imbiss. Im Sommer wurde übrigens oft im Freien gegessen.

Der städtische Bürger hingegen nahm, ähnlich wie heute, drei Mahlzeiten ein: ein Morgenessen mit Suppe oder Milchbrei oder Gemüse, ein warmes Mittagessen und ein zweites warmes Essen zu Abend. Das umfasste beim Adel dann schon mehrere Gänge und reichte bis zum Schlaftrunk.


Das Buch von guter Speise

files/AstridFritz/Bilder Extras/Kueche MA um 1505.jpgDas älteste erhaltene handschriftliche Kochbuch, das “buoch von guoter spîse“ im Hausbuch des Würzburger Notars Michael de Leone, erschien zwischen 1345 und 1352. Aus dem 15. Jahrhundert sind dann eine ganze Reihe anonymer Kochbücher erhalten, aus dem Jahr 1460 auch das „Alemannische Büchlein von guter Speise“ des Württemberger Hofkochs Meister Hansen. Mit der Erfindung des Buchdrucks werden in der Regel die Autoren genannt, darunter auch einige Frauen. Die Auswahl an Rezepten repräsentieren ausschließlich die herrschaftliche Küche, die bäuerliche Küche bleibt außen vor. Besonders zahlreich sind die Rezepte für Pasteten und Torten mit Fleisch-, Fisch- oder Gemüsefüllung.

Die Kochanweisungen sind verquickt mit der Ernährungslehre nach der damals gängigen Vier-Säfte-Lehre (die Körpersäfte Blut, Schleim, gelbe Galle und schwarze Galle müssen stets in Harmonie zueinanderstehen) und enthalten häufig moralisierende Gesundheitstipps. Dagegen sind zumeist keinerlei Mengen und Garzeiten angegeben, was das Nachkochen heute schwierig macht. Wer es dennoch wagen möchte: Von Trude Ehlert gibt es ein wunderbares "Kochbuch des Mittelalters" mit Rezepten aus alter Zeit, von der Autorin ausprobiert und mit Mengenangaben versehen (Albatros Verlag, München 2012).

 

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